AcrossLETS als Plattform für Seniorengenossenschaften

Zusammenfassung

Die typischerweise kleinräumig strukturierten Seniorengenossenschaften bzw. Zeitbanken können auf die vorhandene Infrastruktur der überregionalen Tauschgemeinschaft „AcrossLETS“ zurückgreifen, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen. Auf diese Weise lassen sich eine Reihe sehr kniffeliger Probleme des späteren Betriebs bereits am Anfang lösen.

Entstehungsgeschichte und bisherige Ausrichtung von AcrossLETS

AcrossLETS ist entstanden als überregionaler Inserate-Pool und als System zur Abrechnung von Leistungen zwischen Tauschpartnern verschiedener lokaler Tauschringe. Die weit über tausend bundesweit verteilten Teilnehmer tauschen dort nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten in anderen Städten, sondern praktisch das gesamte Spektrum an Leistungen, wie sie auch in Tauschringen und Seniorengenossenschaften zu finden sind.

Die Verwaltung von AcrossLETS ist dezentral organisiert, d. h. es können sich Untergruppen bilden, die ihre eigenen Administratoren zur Verwaltung ihrer Teilnehmer bestimmen und sich selbst organisieren.

Software wird gebraucht, aber es geht auch ohne Computer

Seniorengenossenschaften stellen im Laufe der Zeit hohe Anforderungen an die zu ihrer effizienten Verwaltung eingesetzte Software: Es müssen Mitgliederlisten mit Kontaktdaten und Inseratelisten geführt und gepflegt werden.

Es sollen Überweisungen zwischen Zeit-Verrechnungskonten durchgeführt werden können, um Tauschleistungen zu vergüten und Zeitguthaben anzusparen.

Es soll regelmäßig eine ansprechende Marktzeitschrift mit den aktuellen Angeboten, Gesuchen und Kontaktdaten der Mitglieder erstellt und gedruckt werden.

Damit nicht genug, es werden Regeln gebraucht, deren Einhaltung von einer Software automatisch durchgeführt werden soll. Dazu gehören monatliche Abbuchungen von Verwaltungszeitpunkten, die Festlegung und Einhaltung von Überziehungslimits der Konten und vieles mehr.

AcrossLETS arbeitet zu diesen Zwecken mit der Obelio-Software, genauer gesagt mit dem Obelio eLETS Service. Dies ist ein Dienst im Web, der die Software-Funktionalitäten zur Verwaltung mehrerer Tauschgemeinschaften zu Verfügung stellt.

Obelio wird über Web-Browser bedient. Dort kann man sich einloggen, seine Inserate aufgeben, die aktuellen Inserate der anderen Teilnehmer anschauen, Tauschüberweisungen durchführen und vieles mehr.

Die AcrossLETS-Teilnehmer verwalten sich auf diese Weise überwiegend selbst. Aber nicht jeder möchte mit dem Computer arbeiten. Deshalb können sich Teilnehmer an einen eingetragenen Administrator ihrer Tauschgemeinschaft bzw. Seniorengenossenschaft wenden, um die entsprechenden Eingaben für sie vornehmen zu lassen.

Kooperation mit externen Tauschring-Mitgliedern

Nicht jedes Mitglied einer Seniorengenossenschaft kann bzw. möchte für sein späteres Betreutwerden im Alter als Gegenleistung Altenbetreuung anbieten. Wenn das Modell der Seniorengenossenschaften für Menschen aller Berufe und Begabungen attraktiv sein soll, dann darf sich die Art der getauschten Leistungen nicht auf Altenbetreuung und ähnliches beschränken. Nur so können sich Menschen aller Couleur aktiv einbringen.

Aus dieser Überlegung ergibt sich ein Dilemma: Der Bedarf an Altenbetreuung wird möglicherweise höher sein, als durch die Seniorengenossenschaft von ihren eigenen Mitgliedern erbracht werden kann. Umgekehrt möchten sich die Mitglieder durch Arten von Leistungen einbringen, die innerhalb der eigenen Seniorengenossenschaft nicht genug nachgefragt werden.

Als Lösung dieses Dilemmas bietet sich an, Kooperationen mit Tauschringen einzugehen, die mit ihrem „bunteren“ Angebotsspektrum das fehlende Angebot und die fehlende Nachfrage liefern können.

Seniorengenossenschaften, die sich als Untergruppe von AcrossLETS organisieren, genießen den großen Vorteil, dass sie von Anbeginn an diese Kooperation mit externen Tauschteilnehmern im eigenen System integriert haben. Die Anlaufhürde ist deutlich kleiner, wenn man mit einer „prallgefüllten“ Marktzeitschrift anfangen kann, anstatt alle Leistungen selbst erbringen/abnehmen zu müssen.

Umzüge und Langzeitstabilität

Anders als in Tauschringen, muss das Prinzip der Gegenseitigkeit in Seniorengenossenschaften unbedingt überregional angelegt und auf Langzeitstabilität ausgelegt sein.

Die Überregionalität gewährleistet, dass ältere Genossenschaftsmitglieder ihren Wohnort wechseln können, ohne ihre angesparten Ansprüche (das sind u. U. große Summen) auf Gegenleistung zu verlieren.

Da AcrossLETS, wie gesagt, überregional angelegt ist, können umziehende Genossenschaftsmitglieder sich problemlos einer Genossenschaft an einem anderen Ort anschließen und ihr Erspartes dort verwenden.

Die Langzeitstabilität soll gewährleisten, dass die Seniorengenossenschaft ihre Versprechen auf Gegenleistung auch nach längerer Ansparphase ihrer Mitglieder noch einlösen kann.

In diesem Zusammenhang ist die relative Größe und dezentrale Verwaltung von AcrossLETS ein gewisser Garant von Langzeitstabilität, die kleinere Organisationen aus personellen Gründen oft nicht erreichen können.

Zeitwährung gleichzeitig ansparen und verwenden

Die Zeitwährung in Tauschringen dient überwiegend der Verrechnung getauschter Leistungen. Das Ansparen („Horten“) dieser Währungen ist dort verpönt, da es den Leistungstausch zum Erliegen bringen kann.

Hierzu eine kleine Beispielrechnung:

Wenn in einem Tauschring z. B. 40 Stunden Verrechnungseinheiten pro Kopf in Umlauf sind und jeder Teilnehmer pro Jahr 20 Stunden Verrechnungseinheiten fürs Alter zurücklegt, dann liegen nach 2 Jahren alle Tauschmittel für die Alterssicherung „auf Eis“ und keiner kann mehr tauschen oder im Folgejahr weitere Mittel ansparen! Dabei ist eine Ansparrate von nur 20 Stunden pro Jahr und Teilnehmer noch niedrig gegriffen, wenn Alterssicherung etwas bringen soll. Es ist klar, dass es so nicht gehen kann.

Um das Problem der Alterssicherung zu lösen, müsste man also sehr viel mehr Verrechnungseinheiten in Umlauf bringen, damit trotz Spartätigkeit noch genügend viele Mittel zum täglichen Tauschen zur Verfügung stehen. Leider funktioniert auch dieser Weg nicht richtig: Wenn die Teilnehmer von ihrem 25. bis zu ihrem 65. Lebensjahr jedes Jahr 20 Stunden ansparen, summiert sich die Ansparsumme auf zuletzt 800 Stunden pro Teilnehmer auf. Man müsste deshalb den Pro-Kopf-Umlauf auf mindestens 600 Stunden in Verrechnungseinheiten erhöhen, damit Alterssparen funktionieren kann.

Erfahrungsgemäß ist aber ein Pro-Kopf-Umlauf von 600 Stunden schätzungsweise um einen Faktor 20 höher als das Optimum, das die Tauschintensität maximieren würde. Dies offenbart ein echtes Dilemma: Die Zwecke „Tauschmittel“ und „Wertaufbewahrungsmittel“ einer Zeitwährung widersprechen sich in der Praxis gegenseitig!

Das Problem der Altersvorsorge wurde jedoch in AcrossLETS gelöst. Dort werden Vorsorge-Ersparnisse nicht auf Verrechnungskonten mit sofortiger Verfügbarkeit gelagert. Stattdessen wird ein spezielles Rentenkonto pro Teilnehmer benutzt, dessen Anspar- und Auszahlrate begrenzt sind. Die zirkulierende Tauschmittelmenge mit sofortiger Verfügbarkeit ist in AcrossLETS an die Belange der Tauschintensität angepasst, während die Tauschmittelmenge mit verzögerter Verfügbarkeit auf die gewünschten Spartätigkeiten zur Altersvorsorge Rücksicht nimmt.

Eine ausführliche Darstellung dieses Problemfeldes würde an diese Stelle den Rahmen sprengen, kann jedoch im Web nachgelesen werden. Die Umsetzung dieser Erkenntnisse ist in den Marktregeln der AcrossLETS-Tauschgemeinschaft ausführlich dokumentiert.

Leider fühlen sich die meisten Menschen bei der Betrachtung währungstheoretischer Zusammenhänge überfordert bzw. unwohl. Dies hat z. B. die Auswirkung, dass die meisten Zeitbanken und Seniorengenossenschaften ihre diesbezüglichen Regeln tendenziell „weich“ (also als offenes System) gestalten, d. h. es werden bei Bedarf zusätzliche Mittel „aus dem Nichts“ geschöpft, wenn es die Belange der Altenbetreuung und Altersvorsorge taktisch rechtfertigen.

Dies geht meist eine Weile lang gut, sorgt aber auf lange Sicht für Ungerechtigkeiten und Vertrauensschwund in die Mechanismen der Leistungsvergütung. Im Endeffekt gefährdet dieser „weiche“ Umgang mit den „harten“ Zusammenhängen der Theorie die Langzeitstabilität des Systems, die gerade für Seniorengenossenschaften so essentiell ist.

Diese Probleme lassen sich jedoch vermeiden, indem man sich die theoretisch fundierten Marktregeln von AcrossLETS zu Nutze macht.

Kooperationen von Seniorengenossenschaften mit Tauschringen werden sehr erschwert, wenn die Marktregeln einer Seniorengenossenschaft aufgrund der besagten taktische Kompromisse zu weit von den etablierten Mindeststandards (z.B. die Anforderung nach einem geschlossenen System) der Tauschringe abweichen. Auch hier hilft es, dass die Marktreglen von AcrossLETS diese Kompromisse nicht eingehen brauchten.